Blitzlicht-Interview: ABSOLUT in Leipzig

30.06.2022

Im sächsischen Innovationsprojekt ABSOLUT wird seit 2019 von den Leipziger Verkehrsbetrieben mit weiteren Partnern erforscht, welche Technologien seitens Fahrzeug und Infrastruktur benötigt werden, um das automatisierte Fahren im suburbanen Raum von Leipzig umzusetzen. Wir haben bei Luise Fitzthum, Mitarbeiterin der Professur für Verkehrsprozessautomatisierung der TU Dresden, nachgefragt, welche Tests gerade anstehen und wie sich der öffentliche Verkehr in Leipzig dadurch verändert.

ABSOLUT Shuttle
©SAENA
ABSOLUT Shuttle

SAENA: Hallo Frau Fitzthum, wir begrüßen Sie zu unserem "Blitzlicht". Hier stellen sich sächsische Projekte kurz vor und wir setzen sie in den Kontext zukünftiger Mobilität.
Was ist die Idee hinter dem Projekt ABSOLUT?

L. Fitzthum: Die Vollautomatisierung des Öffentlichen Verkehrs (ÖV) bietet großes Potential, bisher wirtschaftlich nur schwer realisierbare Verbindungen z. B. im suburbanen oder ländlichen Raum darzustellen und zudem eine bedarfsgerechte Verfügbarkeit rund um die Uhr sicherzustellen.

Durch die Kombination der Vorteile der geteilten Fahrzeug- und Infrastrukturkosten des ÖV mit dem Mehrkomfort der zeitlich flexiblen Punkt-zu-Punkt-Verbindung des Individualverkehrs bietet der vollautomatisierte Verkehr die Chance, den Individualverkehr mit seinen Nachteilen zurückzudrängen, neue Nutzergruppen zu erschließen und einen wichtigen Beitrag zur Mobilitätssicherung einer alternden Gesellschaft zu leisten.

Das Verbundprojekt ABSOLUT stellt sich in einem Konsortium aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kommune den technologischen Herausforderungen des automatisierten öffentlichen Verkehrs im suburbanen Raum. Diese reichen von der Entwicklung ÖV-tauglicher Fahrzeuge für den Einsatz mit über 50 km/h Fahrgeschwindigkeit über den Aufbau einer vernetzten und kooperativen Verkehrsinfrastruktur bis zur an die Automatisierung angepassten Betriebsleitstelle und Kundenschnittstelle sowie rechtliche Rahmenbedingungen im Bereich Zulassung und Betrieb.

Der Testbetrieb findet dabei auf der Buslinie 86A (S-Bahnhof Leipzig Messe zum BMW Werk Leipzig) der Leipziger Verkehrsbetriebe mit Geschwindigkeiten bis 70 km/h statt.

 

SAENA: ABSOLUT ist Ende Februar in eine neue Testphase gestartet, Pilottests mit Fahrgästen ab der 2. Jahreshälfte - Welche Ziele verfolgen Sie kurz-/langfristig (und wann ist mit ersten Ergebnissen zu rechnen)?

L. Fitzthum: Der Testbetrieb startet Mitte August und wird für fünf Wochen mit geschulten Fahrgästen durchgeführt. Bis dahin finden bereits jetzt schon viele Testfahrten statt, die das Zusammenwirken zwischen Fahrzeug, Infrastruktur und Leitstelle validieren.
In einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt, wie ABSOLUT, ist es ganz alltäglich, dass jeden Tag andere Herausforderungen mit der eingesetzten Technik auftreten, wofür immer wieder neue Lösungen gefunden werden müssen. Dementsprechend haben wir eine ganze Reihe von Testszenarien vorbereitet, die wir um den Anforderungen des Projekts gerecht zu werden, durchführen.
it den Fahrgästen wird anschließend die Nutzung des Fahrzeugs im Linien- und On-Demand Betrieb sowie die Nutzung der App validiert. Die Ziele, die wir damit verfolgen, sind vor allem das System aus Nutzer:innensicht besser zu verstehen, um für Folgeprojekte wichtige Ergebnisse zu sammeln.


SAENA: Zum Schluss ein Blick in die Zukunft der Mobilität: Wie stellen Sie sich Ihren Arbeitsweg in zehn Jahren vor?

L. Fitzthum: Vermutlich dauert es noch einige Jahre bis sich das automatisierte Fahren im Alltag durchsetzt, da wir noch vor großen technologischen Herausforderungen stehen. Sodass ich denke, dass für die Menschen, die im urbanen Raum wohnen und bereits den ÖV nutzen, sich in Ihrem Mobilitätsverhalten keine großen Veränderungen ergeben.
Anders ist es, wenn ich z. B. aus einem Randgebiet der Stadt meinen Arbeitsweg antrete. Dann ist es wahrscheinlich möglich, dass mich an einer unweit gelegenen Haltestelle ein kleines automatisiertes Busshuttle abholt und mich zu einem zentralen Haltepunkt bringt, wo ich dann in die Straßenbahn oder S-Bahn umsteige.
Es ist realistisch anzunehmen, dass in zehn Jahren einige Fahrzeuge im ÖV automatisiert fahren. Ob sich das automatisierte Fahren auch im motorisierten Individualverkehr durchsetzt, lässt sich jedoch nur schwer abschätzen.

 

Weitere Informationen zum Projekt: www.absolut-project.com